Wenn auch die ursprünglichen Erwerbungsakten der Staatlichen Graphischen Sammlung München durch die Zerstörung der Neuen Pinakothek bis auf wenige neu aufgefundene Ausnahmen Kriegsverlust sind, so haben sich doch die Inventare der Sammlung erhalten, die rudimentäre Angaben zu Neuzugängen enthalten. Diese Angaben wurden 2018/19 mit einer Förderung des Bayerischen Staatsministeriums für Wissenschaft und Kunst in die Datenbank der SGSM übertragen und mit Ersteinschätzungen gekennzeichnet. 

Vor 1933 erworbene Werke „entarteter Kunst“ wurden im August 1937 durch die Beschlagnahme-Kommission ausgesondert. Bereits seit 1933 wurden von den nunmehr abgelehnten zeitgenössischen Künstlern auch keine weiteren Werke mehr erworben.

Zahlreiche Erwerbungen aus dem deutschen Kunsthandel bieten schon nach heutigem Kenntnisstand Verdachtsmomente, so z.B. Erwerbungen bei Ferdinand Möller in Berlin, C.G. Boerner in Leipzig, Käthe Thäter („Arisierung“ der Ludwigs Galerie Otto H. Nathan) sowie dem Kunsthändler Eugen Brüschwiler oder der Galerie Ernst Arnold (Inhaber Ludwig Wilhelm Gutbier) in München. Auch Ankäufe besonders in den 1940er Jahren im Auktionshaus Adolf Weinmüller in München oder bei dem noch weitgehend unerforschten Kunsthändler Wilhelm Koeberlin in München, um nur einige zu nennen, sind als problematisch anzusehen. Erste Recherchen haben bereits weitere Zusammenhänge zum Kunsthandel und der Museumswelt in Berlin, Frankfurt a. Main oder in Wien ergeben, die weitere Untersuchungen nach sich ziehen werden.

Otto Weigmann (1873–1940), von 1918 bis 1937 Direktor der Sammlung, war überzeugter Nationalsozialist, Mitglied im Kampfbund für deutsche Kultur sowie in der Organisation Stahlhelm und drängte jüdische Mitglieder aus dem Freundeskreis. Vor diesem Hintergrund sind gerade auch „Geschenke“ und „Mitgliedsbeiträge“ der früheren jüdischen Mitglieder des Freundeskreises kritisch zu beurteilen.

Um eventuell vorhandene Raubkunst nachzuweisen und gegebenenfalls diese Kunstwerke an die rechtmäßigen Eigentümer zurückzuerstatten, müssen die einschlägigen Datenbanken und die Fachliteratur geprüft werden. Außerdem werden die Blätter und ihre Rückseiten auf mögliche besondere Merkmale, wie z.B. Sammlerstempel oder handschriftliche Notizen, die Aufschluss über frühere Eigentümer oder Besitzer geben könnten, untersucht, dokumentiert und für die Forschung ausgewertet.

Die Objekte sind zunächst in der museumseigenen Datenbank mit Provenienzketten und einer Bewertung nach der Provenienzampel zu versehen. Priorität haben dabei bereits als „rot“ bzw. „orange“ – also als besonders bedenklich – eingeschätzten rund 280 Zeichnungen. Bei intensiveren Recherchen werden zu diesen ausführliche Dossiers angelegt. Alle als Raubkunst identifizierten Werke und alle mit unklarer Provenienz sollen auf www.lostart.de gelistet werden.